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Solothurner Zeitung 10.07.2006

Ist Künstler denn ein Beruf?

Katharina Arni-Howald

Künstlerhaus S11. Künstler diskutierten über ihr Berufsbild und Existsenzsorgen. Im Künstlerhaus wurden am Wochenende in angeregten Gesprächen wichtige gesellschaftliche Themen diskutiert. Dabei ging es ums Überleben und um eine Existenzberechtigung, die Kunstschaffenden oft abgespochen wird.

Wer ist ein Künstler, und was berechtigt ihn, von der Gesellschaft anerkannt zu werden? Was unterscheidet ihn vom Kochkünstler, und wie muss er sich verhalten, damit er vom Gesetz geschützt ist? Viele Fragen türmen sich vor Menschen auf, die sich einer kreativen Tätigkeit widmen und sich nicht ständig rechtfertigen möchten, um ihre Existenz zu sichern. Die Kunst ein Grundbedürfnis einer zivilisierten Gesellschaft und nicht bloss ein luxuriöser Zeitvertreib für „extravertierte Spinner“: Unter diesem Motto diskutierten zahlreiche Kunstschaffende untereinander und mit Aussenstehenden. Das Ziel war, den Fortbestand der freien Kunst zu sichern und auf ihre Nöte und Existenzängste aufmerksam zu machen. Nebst tiefgreifenden Gesprächen wurden am Samstagsmarkt auch Kunstdrucke vor Ort hergestellt und verkauft. Zu allen Zeiten hatten Kunstschaffende Mühe, von ihrer Arbeit zu leben. Noch heute sind die meisten auf Nebenbeschäftigungen angewiesen oder leben von der Arbeitslosenkasse oder der Sozialhilfe. Geht es ums Geld, kommt unweigerlich auch die Frage auf, ob Künstler sein überhaupt ein Beruf ist. Diesem Thema widmete sich folgerichtig einer der drei Themenkreise rund um die Überlebensstrategien von Kunst und Künstlerinnen.

Hochschule ist der Königsweg. „Es ist ein typisch schweizerisches Phänomen, dass man hierzulande nur über verwandte Berufe zum Künstler wird“, gab Christoph Schelbert, Hochschullehrer in Basel und selbst Künstler, zu diesem Thema zu bedenken. Es sei noch nicht lange her, da hätte ein künstlerisch Begabter nur die Möglichkeit gehabt, sich an eine Kunstakademie ins Ausland abzusetzen oder eine Mal- oder Bildhauerklasse an einer Kunstgewerbeschule zu besuchen. Als weitere Variante sei die Lehrzeit bei einem Meister in Faeg gekommen, und schliesslich sei noch der autodidaktische Weg offen geblieben – ein Modell, das heutzutage mehr und mehr kritisiert werde. Zu diesen immer noch gängigen Wegen sei es heute aber auch möglich, eine Hochschule zu besuchen. „Der Besuch einer Hochschule ist heute der Königsweg“, weiss Schelbert aus Erfahrung. Eine Schule für Kunst und Gestaltung beispielsweise schaffe überlebenswichtige Netzwerke und die Möglichkeit, mit der Industrie zusammenzuarbeiten, was wiederum finanziell interessant sei. Eine derartige Ausbidlung sei aber auch für eidgenössische Preise von grösster Wichtigkeit. „Man spürt, wer etwas aus dem Bauch heraus macht und wer das nötige Know-how besitzt“, so Schelbert. Aber – und mit dieser Aussage stand der Hochschullehrer nicht alleine da: „Auch die beste Ausbildung bietet keine Garantie dafür, dass man in diesem Beruf überleben kann.“ Das wissen auch ältere Künstler, die in ihrem Beruf erfolgreich waren, wie etwas Heini Bürkli: „Ich habe mich ins AHV-Alter gerettet, das ist für jeden Kunstschaffenden ein Segen“, scherzte der Rüttener Künstler.

Existenz als künstlerisches Projekt. Wie man bis an die Grenzen geht, um die Gesellschaft auf die Nöte der Kunstschaffenden aufmerksam zu machen, erzählte der Bieler Künstler Thomas Zollinger, der von 1998 bis 1999 seine Existenz kurzerhand zum künstlerischen Projekt erklärte und sich auf diese Weise intensiv mit dem Thema der Existenzbedingungen von Künstlern befasste. Er hat alle Stufen von Streichungen und Kürzungen der Sozialämter durchgemacht und arbeitet heute wieder an einer Schule. Ohne ein Pensum als Zeichnungslehrerin geht es auch bei der Künstlerin Lex Vögtli nicht. Wie bei anderen, die sich künstlerisch betätigen, wird es auch bei ih oft zeitlich eng. „In der Schweiz wäre ein Kulturartikel dringend nötig“, brachte es Schelbert auf den Punkt. „Dieser wäre nach Schweizer Art so gut, dass wir gegenüber anderen Ländern an der Spitze wären.“

 

(Existenzrecht für Kunst und Künstler?)